VerbandDas Aus für den AFM?
An diesem Thema kann ich nicht ganz vorbeigehen, da ich selbst einige Zeit sogenannter Beisitzer im AFM war. Der AFM, also der Ausschuss für Frauen- und Mädchenfußball, ist ein Gremium im Hamburger Fußball-Verband (HFV). Dieses Gremium organisiert den Spielbetrieb der Frauen- und Mädchenmannschaften im HFV und hat neben anderen Dingen auch die Aufgabe, den weiblichen Fußball zu fördern.
Das ist leider nötig. Denn der DFB hatte den Frauenfußball, oder wie man auch mal sagte, den Damenfußball, verboten. Während sich also die Jungen und Männer am Fußballsport erfreuen durften, war dieses Mädchen und Frauen untersagt. Das wirkt bis heute nach, denn es hat sich noch immer nicht überall etabliert, den Wunsch eines Mädchens oder einer Frau diesen Sport ausüben zu wollen, als vollkommen normal und selbstverständlich anzusehen. Während sich der Fußball der Jungen und Männer ungehindert entwickeln konnte, Fehlentwicklungen eingeschlossen, haben die Mädchen und Frauen unverschuldet einen kräftigen Rückstand aufzuholen.
Folglich gibt es auch noch immer ungleich mehr Mannschaften bei den Herren und Jungen, als bei den Frauen und Mädchen. Nimmt man alle Frauen- und Mädchenmannschaften im HFV zusammen, kommt man auf 317 Teams. Dagegen spielen allein die Jungs in 1818 Teams. Sie haben also mehr als das Fünffache an Mannschaften im Angebot, als der gesamte weibliche Fußball aufzubieten hat. Und dann kommen noch all die Teams der Herren obendrauf.
Das zeigt die Kräfteverhältnisse. Und teils die Verteilung der Interessen. Es gibt noch immer Vereine, in denen es gar keine Angebote für Mädchen und Frauen gibt, zumindest aber keine eigenen Mannschaften. Das scheint auch am teils fehlenden Interesse dort liegen, den Zustand zu ändern.
Es gibt weiterhin Widerstände, die auch der AFM aufzuweichen und zu brechen probiert. Seit rund 50 Jahren macht er dieses nun und es gab zweifelsohne erfreuliche Fortschritte. Nur am Ziel ist man noch lange nicht. Das hat auch der DFB erkannt und beschlossen, den Frauenfußball weiter zu fördern. Zum Wie hat der DFB eine Broschüre als PDF publiziert.
In Hamburg gibt es seitens des geschäftsführenden Präsidiums des HFV allerdings eine abweichende Idee, in welchem Rahmen das künftig geschehen soll. Der AFM soll im HFV nach rund 50 Jahren als eigenständiges Gremium entfallen.
Das geschäftsführende Präsidium möchte eine Strukturreform durchführen. Der Entwurf samt vorgesehener Personalien steht am 01.06.2023 zur Abstimmung auf dem Verbandstag, auf dem alle Vereine Stimmrecht haben. Natürlich auch die Vereine, die im Thema Frauen- und Mädchenfußball nicht tief stecken, da sie ausschließlich Angebote für Jungen und Herren haben. Der Antrag benötigt eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
Es ist vorgesehen, die bisherigen drei Ausschüsse, die den Spielbetrieb organisieren (Spielausschuss, Verbands-Jugendausschuss und Ausschuss für Frauen und Mädchenfußball) aufzulösen. Die drei Plätze für die Ausschussvorsitzenden im Präsidium werden gestrichen. Keinen Änderungsbedarf scheint man beim Verbands-Lehrausschuss und beim Verbands-Schiedsrichterausschuss zu sehen, die unverändert weiter existieren sollen. Von 8 auf 7 reduziert wird die Zahl der Bezirksschiedsrichterausschüsse.
Eingeführt werden sollen ein Ausschuss für den Erwachsenenspielbetrieb (AFE) und einer für den Kinder- und Jugendspielbetrieb (AKJ). Die Position „Beisitz im Präsidium“, die eigentlich gestrichen werden sollte, wurde auch nach Intervention des AFM am 19. April neu ausgeschrieben. Diversität und Nachhaltigkeit sind die genannten Aufgabenschwerpunkte. Bisher hatte diesen Beisitz Sarah Drevs inne. Da sie am 28. März zur Vorsitzenden des Verbands-Jugendausschuss gewählt wurde, ist die Position vakant.
Drevs ist in der neuen Struktur als Vorsitzende des AKJ vorgesehen, Andreas Hammer für den Vorsitz im AFE. Das ist kein Geheimwissen, dass die Besetzungen der Führungspositionen schon intern ausgemacht worden sind, obwohl die Strukturreform noch gar beschlossen ist, sondern das ist dem HFV-Podcast „Trikottausch“ zu entnehmen, speziell der Sonderfolge zu den Strukturveränderungen. In dieser sprechen Christian Okun, Sarah Drevs, Hartmut Garz und Andreas Hammer über die Reform.
Was Hannelore Ratzeburg, ehemalige AFM-Vorsitzende und ehemalige DFB-Vizepräsidentin, von der Entwicklung hält, ist im März-Artikel „Wird der Frauenfußball in Hamburg ‘plattgemacht’?“ des Hamburger Abendblatts nachzulesen. Auch NDR 90,3 hat berichtet: „Große Wut bei Hamburgs Fußballfrauen über die Pläne des HFV.“
Den meisten vorgenannten Kritikpunkten und Sorgen schließe ich mich an. Mir sind der Anlass und die Notwendigkeit dieser Reform vom Präsidium bisher nicht hinreichend belegt und begründet worden. Solange bleiben es Behauptungen.
Ich sehe es nicht als wahrscheinlich oder gar gewährleistet an, dass die angebliche paritätische Besetzung der Ausschüsse realisiert werden kann. Bisher habe ich nur davon gehört, dass alle angefragten Kandidat*innen, die die Mädchen oder Frauen in den neuen Ausschüssen repräsentieren sollen, angesichts der sich abzeichnenden Bedingungen einen Beisitz abgelehnt haben.
Wie sich nur je eine Beisitzer*in für Frauen und Mädchen in einem 9er-Gremium, dass sich auch um ungleich mehr Herren- und Jungenmannschaften kümmern soll, künftig durchsetzen können soll, muss mir erst noch plausibel gemacht werden.
Weiterhin ist mir noch unklar, wie eine Besitzerin für Frauen und eine Beisitzerin für Mädchen all das abdecken soll, was bisher neun Personen im AFM abgedeckt haben, ein spezielles Hauptamt nicht eingerechnet. Mir ist nicht klar, wer die hamburger Frauen und Mädchen überregional beim NFV und DFB vertreten soll. Sollen das auch Andreas Hammer als Vorsitzender des AFE und Sarah Drevs als Vorsitzende des AKJ abdecken?
Und wer deckt die ganzen Termine für Meister- und Siegerehrungen bei Mädchen und Frauen ab? Wer führt die Veranstaltungen wie Pokalfinals und Hallen- bzw. Futsalrunden durch und sitzt in den Turnierleitungen? Ich tippe, es wird an der Frauen- und Manpower fehlen.
Der designierte AFE-Vorsitzende Andreas Hammer, den ich nicht persönlich kenne, ist mir bisher nicht als Freund, Kenner und Förderer des Frauenfußballs aufgefallen. Er muss im Falle der Umsetzung (und seiner Wahl) den Nachweis liefern, dass er die Expertise, Zeit und das Engagement hat, sich im erforderlichen Maß für den Frauenfußball einzusetzen. Gleiches gilt für Sarah Drevs, die sich in diesem Vorhaben erst noch beweisen muss. Sie hatte sich übrigens gegen eine Mitgliedschaft im AFM entschieden und stattdessen den Beisitz im Präsidium übernommen.
Dass das neue Konzept von Leuten geschrieben wurde, denen womöglich Detailkenntnisse zum Frauenfußball fehlen, kann man an einem Fehler im Konzept erkennen. Dort wird dem Beisitz Frauen der Leistungsfußball der Spielklassen Oberliga, Landesliga und Bezirksliga zugewiesen.
Völlig normal, wenn man sich im Herrenfußball auskennt. Doch bei den Frauen ist auch die Kreisliga dem Leistungsfußball zugeordnet. Es mag ein Flüchtigkeitsfehler gewesen sein, der wohl auf Hinweis des AFM noch berichtigt werden soll. Aber was, wenn nicht. Bei mir hinterlässt so etwas ein mulmiges Gefühl. Das Korrektiv AFM gibt es dann ja nicht mehr.
Jeder und jede auf dem Verbandstag stimmberechtigte Person sollte sich genau überlegen, ob genau diese Strukturreform wirklich allen Fußballbegeisterten gerecht wird, auch denen, die eine Minderheit sind. Es könnte klüger sein, sich noch etwas Zeit zu gönnen und gemeinsam ein konsensfähiges Konzept zu entwickeln, statt Hals über Kopf ein nicht zu Ende gedachtes zu beschließen. Ich wünsche allen Beteiligten einen klaren Verstand, und drücke den Mädchen und Frauen im HFV die Daumen, dass die gefällte Entscheidung keine Nachteile für sie bringt. Ich darf leider nicht mit abstimmen.
Heute habe ich dem HFV mitgeteilt, dass ich diesem die Nutzung meiner Fotos für dortige ab dem 01.05.2023 entstehende Publikationen untersage.